31.07.2014

Mixology - Magazin für Barkultur.

Pressestimmen

"­Wie kriegt man ein großes Weingut aus einem noch größeren Loch? Man holt sich einen völlig irren Önologen, der Pop versteht, Avantgarde beherrscht und die Mitte nicht vergisst

 

 

Der Rheingau war in der Krise. Eigentlich ist er es immer noch, denn das einst bekannteste Anbaugebiet Deutschlands hat noch nicht zur Gänze an die önologische Moderne angedockt. Die Krise war es auch, die den Hattenheimer Gutsbesitzer CHRISTIAN RESS dazu bewogen hat, den Wonnegauer Weinmacher DIRK WÜRTZ in seinen Betrieb zu holen. Er sollte das abgehängte Familienweingut wieder auf die Schiene stellen.

 

Würtz war schon vor seinem Gang zu Ress eine populäre Figur, er lernte das Handwerk bei ROBERT WEIL, ein großes und über die Grenzen Deutschlands bekanntes Rieslingweingut bei Rüdesheim am Rhein. Dazwischen war Würtz freier Önologe und Blogger. Das anarchistische Weinbloggen kann Würtz so gut, dass er aus dieser journalistischen Leidenschaft auch eine kleine Fernsehshow destillierte und von der Illustrierten Stern zum Online-Weinfachmann erkoren wurde. Würtz hatte also eine große Fangemeinde mitzubringen, wiewohl man Weine von Würtz kaum kaufen konnte. Viele damals ätzten: Es handle sich bei Würtz bloß um eine Medienfigur.

 

Wein für Einsteiger, Fetischisten und Avantgardisten

 

So waren Ress und Würtz aufeinander angewiesen, als sie ihr großes Erneuerungsprogramm starteten. Der weltgewandte Christian Ress als Verkäufer einer neuen Kollektion; der wortgewandte Dirk Würtz als lokaler Vorstand in Hang und Keller. Jeder musste sich beweisen. Und jeder konnte nur gewinnen.

 

Das ist jetzt bald wieder vier Jahre her und die Bilanz fällt mehr als erfreulich aus: Selten hat ein altes deutsches Weingut so schnell neue Furore gemacht. Und selten hat ein Weinmacher in Deutschland so viel Marktverständnis bewiesen wie Würtz, der Weine für Einsteiger, Fetischisten und Avantgardisten zugleich macht und mit einer zur Qualität zugespitzten Mitte den Rest der Bandbreite bedient.

 

Da ist zum Beispiel der Riesling Gutswein »Von Unserem« 2013, der für wenige Cent mehr über dem normalen - und ebenfalls megaleckeren - Gutswein angesiedelt ist. Hier zeigt Würtz, was er unter Terroir versteht und dass man ihm mit diesem Modewort auch ein bisschen den Buckel runterrutschen kann. Soll heißen: Ordentlich mineralisch, also ein Herkunftslotse, dem man aber das Trinkvergnügen nicht genommen hat, wie es so oft aus vorgeschoben intellektuellen Gründen geschieht. Ein »Kipp-mich-runter-Wein«, der den Eindruck hinterlässt, etwas getrunken zu haben, das eine Idee hat und nicht nur aus blind zusammengeworfenem Lesematerial gekeltert wurde.

 

Große Weine und eine Parodie

 

Freunde der umstrittenen Orange-Wines beglücken Ress und Würtz mit einer exzellenten Parodie, dem »Blanc-de-Blancs«, ein »Landwein«, gekeltert aus Weißburgunder-Trauben. Würtz lässt den Saft einfach acht Tage auf der Maische ruhen und stellt dabei die Luftzufuhr ab. Das bringt die grandiose Farbe und einen kräftigen, leicht rauen Schluck, hat aber mit den fast schon religiös verehrten Orange-Wines der Amphorenjünger so gut wie nichts zu tun.

 

Und wer den »neuen Rheingau« in »Rheinkultur« kosten will, der muss sich eine Flasche Riesling Hattenheim Nussbrunnen GG 2013 besorgen. Dieser große, trockene Riesling ist der gelungene Beweis, dass auch im Rheingau ein intensiv mineralischer Weinbau möglich ist, der sogar ein bisschen mehr Nuancen zeigt als jener Rheinhessens oder der Pfalz, wo die Rieslingavantgarde zuletzt von sich reden machte. Die großen Weine von Ress mögen teuer sein, sind im Vergleich zu ähnlich großen Weinen anderer Länder aber immer noch günstig. Ketzerisch, aber wahr: Zu günstig!"